Brief von Till

Ein Brief von TILL EULENSPIEGEL an die Kinder der Stadt.

Erster und berühmtester Narr Deutschlands

Bekannt und berüchtigt in allen bekannten Städten Norddeutschlands

Gefürchtet von den Einfältigen, geliebt von allen Mutigen und besonders von Kindern

jederzeit erreichbar in einem ordentlich geführten Büchereiregal oder

über seinen Sekretär im Möllner Eulenspiegel Museum, Herrn Michael Packheiser

Hallo,

… immer diese Frage nach meinem Tod !! Ich antworte, also muss ich ja heute auch noch leben, oder nicht??

Zwar sagt die Geschichte, dass ich schon 1350 in Mölln an der Pest gestorben sein soll, aber mein Geist ist immer noch da und kann euch Auskunft geben.

Ihr habt aber eine Menge Fragen, die ich nicht alle beantworten kann, da ich doch schon ein wenig vergesslich werde... denn  ich bin ja schon im Jahre 1300 in Kneitlingen bei Schöppenstedt geboren.

Kneitlingen
Ein Blick auf das zeitgenössische Kneitlingen.

Aufgeschrieben hat meine Geschichte der Braunschweiger Zollschreiber Hermann Bote. Er hat  95 Geschichten gehört, gelesen und sich selber ausgedacht. Glaubt nicht, dass alles, was die Leute so über mich erzählen, wahr ist! So viele Streiche kann ein einzelner Mensch ja gar nicht machen, da wäre viel zu anstrengend!!

Meine Eltern haben auf einem großen Bauernhof gelebt, leider bin ich das einzige Kind geblieben. Meine Eltern hatten aber auch genug mit mir zu tun (wie ihr euch denken könnt!) In die Schule mußte ich zum Glück nicht gehen, denn es gab zum Glück keine Schulpflicht für die Bauernkinder (Pech für euch, die ihr heute lebt!!).

Turm

 

 

 

 

Einen richtigen Beruf habe ich nicht gelernt, jedenfalls keinen Beruf, wie ihn vielleicht eure Eltern haben. Aber ich habe in allen möglichen Berufen gearbeitet, als Handwerker, als Arzt, als Turmwächter, ja sogar als Maler und Gelehrter an einer Universität.

 

 

 

 

Die Geschichte meiner Taufe wird euch mein fleißiger Sekretär als Kopie zum Lesen geben.

Es hat mir schon früh gefallen, den Leuten Streiche zu spielen, aber damit das klar ist: Ich wollte nicht dass die Leute über mich lachen, sondern ich, TILL EULENSPIEGEL (was verbirgt sich wohl hinter den beiden Wörtern meines Nachnamens ?? Überlegt mal?) wollte den dummen Menschen um mich herum Streiche spielen und über sie lachen!

An meinen ersten  Streich kann ich mich kaum noch erinnern, aber ich habe, als ich mit meinem Vater zusammen auf seinem Pferd saß, Grimassen geschnitten und den Leuten meinen nackten Po gezeigt.

Beerdigung
Ein Geschenk an die Möllner, die so zahlreich zu meiner Beerdigung gekommen sind .

Über meinen letzten Streich kann ich heute noch lachen: Die Möllner haben mich 1350 bei ihrer Kirche beerdigt und haben dafür teure Kerzen und Blumen gekauft, weil ich Ihnen versprochen hatte, dass ich sie nach meinem Tod steinreich machen würde...  Und jetzt sitzen die Möllner Bürger immer noch auf einem großen Steinhaufen auf ihrem Marktplatz, die ich rechtzeitig in einer großen Kiste gesammelt hatte ...!

Immerhin hat der Schreiber Hermann Bote dafür gesorgt, dass meine Geschichten aufgeschrieben und gedruckt worden sind. Bücher drucken zu können, das war so wichtig wie heute die Erfindung der SMS, glaubt es mir! 

Erst dadurch konnten die Menschen meine Geschichten lesen, wenn sie lesen gelernt hatten (Schule ist also doch nicht so schlecht, aber in meinem Buch sind auch Bilder abgedruckt für die Menschen, die nicht lesen konnten. Das Titelbild zeigt mich, denkt noch einmal an die Bedeutung meines Nachnamens).

Am besten haben mir die Geschichten gefallen, wo es etwas zu essen und zu trinken gab. Bei meinen Wanderungen durch ganz Deutschland bin ich immer froh gewesen, wenn ich etwas Hübsches zu essen und für meinen Durst bekommen habe.

Karte
Dies ist eine Karte mit den Städten die ich bereist habe.

In Braunschweig darf ich mich wohl allerdings nicht blicken lassen, da ist ein Bäcker ganz schön sauer auf mich (lest diese Geschichte einmal selbst).

Und nach Lübeck mag ich nicht mehr gehen, da hätte man wegen eines Streiches fast am Galgen aufgehängt (nur weil ich den Wirt vom Weinkeller des Rathauses ein klein wenig betrogen hatte. Wie hat der Wirt es bloß so schnell gemerkt, dass ich heimlich Brunnenwasser gegen teuren Wein vertauscht hatte ...?). Na, ihr kennt mich ja, ich bin den wütenden Ratsherren durch meinen klugen Kopf direkt vom Galgen in die Freiheit entsprungen.

(Falls ihr auch mal in eine solch unangenehme Situation kommt: Jeder zum Tode Verurteilte hat einen letzten Wunsch, den man ihm erfüllen muss. Ich habe mir gewünscht, dass mir alle Ratsleute und sogar der Bürgermeister nach meinem Tod acht Tage lang morgens den nackten Po küssen sollten. Leider habe kein Foto von den überraschten Gesichtern der Lübecker Ratsherren, das hätte ich euch gerne gezeigt!)  Glaubt bloß nicht, dass alle Narren dumm wären!! Und verratet diesen Trick nicht!

Schuhmacher
Hier ein Bild von meiner Arbeit als Schuhmachergeselle.

Die Sache mit einem Schuhmacher tut mir heute aber noch leid. Dem armen Kerl habe ich sein ganzes teures Schuhleder zerschnitten. Vielleicht haben wenigstens seinen Kindern die hübschen Tiere gefallen, die aus dem Leder mit viel Arbeit ausgeschnitten habe. Aber warum hat er mir auch auf meine höfliche Frage (Was soll ich mit diesem Leder tun, Meister?) eine so unfreundliche Antwort (Du einfältiger Dummkopf, schneide Formen, groß und klein, wie der Schweinehirte sie morgens auf die Weide treibt!!") gegeben. Meine Schuld ist es doch nicht, wenn ich alles wörtlich nehme, was man mir sagt! Geht euch das manchmal nicht auch so? Seht ihr!!

Und das ich einige Male den Leuten einen stinkenden Haufen in die Stube, in das Bett oder sogar in das Essen gesetzt habe, das war wirklich nicht nett. Ich entschuldige mich hiermit vielmals!

Buch

 

 

 

 

Gefallen euch meine Geschichten? Es gibt sie in einem netten Buch von Karlheinz Frank der Künstlerin Renate Seelig, die nette Bilder zu meinen Abenteuern gemalt hat, einige könnt ihr sehen.

 

 

 

 

 


Die Älteren von euch sollten übrigen auch  einmal das Eulenspiegel - Buch von meinem Freund Erich Kästner lesen. Erich Kästner (der von „Emil und die Detektive“), der hat mich wenigstens verstanden und ist einer meiner besten Freunde geworden. Der hat mein Leben so aufgeschrieben, wie ich es selber nicht besser gekonnt hätte. Ehrlich !! Viele Freunde habe ich natürlich in meinem Leben nicht gehabt, aber merkt euch: NARREN SAGEN, WAS KLUGE DENKEN!

Aber wenigstens mein treuer Sekretär hält zu mir und geht jetzt mit mir ein treffliches Mittagsmahl essen.

Vielleicht höre ich noch einmal etwas von Euch, 

Euer Till Eulenspiegel


Ausgaben:

TILL EULENSPIEGEL listiger Schalk, Wortewender und Genauhingucker. Im Möllner Museum erhältlich.

Erich Kästner, TILL EULENSPIEGEL, Dressler Verlag.

TILL EULENSPIEGEL, hrsg. v. S. Sichtermann, insel-Verlag.